Kevin Cilurzo Sarina Dupont

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Kultur, Kunst, Langzeitarchivierung, Personal

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Was macht eigentlich…?

Kevin Cilurzo von der Graphischen Sammlung verrät uns im Interview u.a. was ihn bei seiner Tätigkeit am meisten begeistert.

Das Format «Was macht eigentlich…?» geht in die nächste Runde: Diesmal situationsbedingt rein virtuell, wir freuen uns jedoch, dass es auch auf diesem Weg klappt und wir einen Einblick in den Arbeitsalltag von Kevin erhalten. Vielen Dank für das Interview, Kevin!

Die Graphische Sammlung ETH Zürich

Der Umfang ist riesig: Die Graphische Sammlung besitzt rund 160 000 Kunstwerke auf Papier. Von Albrecht Dürer bis Louise Bourgeois, von Rembrandt bis Silvia Bächli und von Francisco de Goya bis Andy Warhol – grosse nationale und internationale Namen sind genauso vertreten wie junge Künstlerinnen und Künstler. Die Sammlung repräsentiert auf einzigartige Weise die Kunstgeschichte vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Zugleich zählt sie zu den bedeutendsten und umfangreichsten Sammlungen von Kunst auf Papier in der Schweiz und geniesst grosses internationales Renommee. Diese Preziosen sind in der Graphischen Sammlung in Archivbehälter verwahrt, gut vor Licht geschützt, damit die fragilen Blätter keinen Schaden nehmen.

Der Bestand wird stetig gepflegt. So wird etwa laufend geprüft, wo in Bezug auf die Lagerung und den Zustand der Blätter noch Verbesserungspotential besteht. Sind die Werke bereits auf alterungsbeständige Kartons montiert oder muss das noch geändert werden? Ist es nötig, dass ihr Zustand durch kleine konservatorische Eingriffe verbessert wird? Für all diese Fragen (und noch viele weitere) sind unsere Restauratorin, Olivia Raymann, und unser Restaurator, Kevin Cilurzo, zuständig. Auch wenn unsere Schätze als Leihgaben in anderen Museen oder in unseren eigenen Ausstellungen gezeigt werden, kommt Kevin zum Einsatz und bereitet alles fachmännisch vor. Es ist eine Arbeit hinter den Kulissen, die für den Erhalt der Sammlung eminent wichtig ist. Ihre Faszination liegt in der direkten Beschäftigung mit unseren Kunstschätzen – Kevin ist stets hautnah dabei.

Das Atelier: der Arbeitsplatz von Livio Baumgartner, Olivia Raymann und Kevin Cilurzo

Interview mit Kevin Cilurzo

Persönliches

Welche drei Bücher oder Filme kannst Du empfehlen?

Die Filme The Red Turtle (2016) und What We Do in the Shadows (2014) finde ich grandios! Und als «Guilty Pleasure» finde ich den Film Ready Player One (2018) von Steven Spielberg recht catchy.

Was ist Dein Superfood an einem anstrengenden Arbeitstag?

Spaghetti Carbonara macht jeden schlechten Tag gut.

Wenn Du drei Monate Zeit hättest, um Dich in ein bestimmtes Thema einzulesen, welches wäre das?

Einlesen ist zu akademisch. Ich nähere mich meinen Themen physisch oder auf irgendeiner materiellen Ebene. Vermutlich würde ich mich dem Thema Pergament-Herstellung widmen.

Sammelst Du irgendetwas?

Natürlich. Ich habe schon ein paar historische Werkzeuge. Ab und zu mal ein Kunstwerk, aber ab wann kann man denn von Sammeln sprechen? Bücher gehören sicher auch dazu – definitiv.

Was langweilt Dich?

Diskussionen die zu nichts führen. Dann gebe ich jeweils Forfait und stelle die bekannte Frage, ob man Brot nicht einfrieren könne. Die Reaktionen darauf sind sehr unterhaltsam. Ach doch, bei Eile mit Weile spiele ich nicht mit – da hört der Spass auf.

Wenn Du heute Nachmittag einen komplett freien Nachmittag geschenkt bekämst, würdest Du…?

In meinem Atelier an meinen eigenen Projekten weiterarbeiten.

Was bringt Dich auf die Palme?

Wenn etwas offensichtlich unfair ist. Nachrichtenlesen hilft also gar nicht…

Welche Musik läuft bei Dir, wenn Du glücklich bist?

Selah Sue, Celeste, Travis, Richard Ashcroft finde ich alles gut. Prince geht auch immer.

Welches Bild würdest Du niemals in Deinem Wohnzimmer aufhängen?

Ich arbeite in der Graphischen Sammlung – die Frage ist komplex. Es gibt vieles, das ich aufhängen würde und genauso vieles, das ich sein lassen würde. Ich nenne hier keine Künstlernamen, aber wenn die Ausführung schluderhaft ist und ich kein Skill sehe, kann es im Dunkeln bleiben. Dort bleibt es vielleicht für viele andere Generationen spannender und in gutem Zustand.

Wohin würdest Du mit einer Zeitmaschine reisen?

Ich würde gerne mit Gutenberg abhängen und ihm bei seiner Entdeckung helfen. Die bewegliche Letter hat so vieles verändert. Das finde ich spannend. Ich schreibe das nicht, weil ich in einer Bibliothek arbeite, es interessiert mich wirklich. Das Drucken in jeglicher Form finde ich ein äusserst interessantes Phänomen.

Arbeitsspezifisches                                                        

Was begeistert Dich an Deiner Tätigkeit an der ETH-Bibliothek?

Ich habe das Privileg mit Kunst zu arbeiten, die aus vielen Epochen stammt und aus verschiedenen Materialien besteht. Als Restaurator darf ich hautnah und manchmal auch mit Handschuhen dabei sein. Ich entdecke interessante Dinge auf Druckgraphiken, lerne einiges über Mythologie, Ikonographie, Techniken, Zusammenhänge und das alles bei der Arbeit recht ungezwungen. Ich bin fasziniert von dem, was ich tue.

Sammlungspflege: eine Schutzkartonage wird aus alterungsbeständigem Material hergestellt

Was ist die grösste fachliche Herausforderung in Deinem Team (bzw. bei Deiner Tätigkeit)?

Die Werke liegen physisch an einem Ort oder müssen bewegt werden, sie weisen manchmal Alterungsspuren auf. Die Dinge brauchen Zeit und Vorbereitung. In unserer digitalen Zeit vergisst das Team manchmal, dass es bei einer «kleinen» Entscheidung grosse physische Konsequenzen haben kann. Meine Herausforderung ist es, trotzdem die Termine einzuhalten, die Werke sorgfältig zu behandeln und zu schützen.

Welche Aufgaben kosten Dich an einem normalen Arbeitstag am meisten Zeit?

Arbeitsanfragen zu erledigen, die mit «Kannst du noch schnell…» beginnen, benötigen am meisten Zeit.

Auf welche Aufgaben würdest Du bei Deiner Tätigkeit gerne verzichten?

Ich arbeite fast täglich mit frisch gekochtem Kleister, am Abend, wenn es schnell gehen soll, muss alles abgewaschen werden. Darauf könnte ich echt verzichten. Kleister ist aber einfach ein super Klebstoff: alterungsbeständig, reversibel, chemisch stabil – alles, was sich ein Restaurator eigentlich wünscht.

Was ist Deine wichtigste Aufgabe?

Die Kunstwerke zu schützen – was nicht immer angenehm ist, man muss oft Nein sagen.

Beschreibe in max. drei Sätzen, wie ein typischer Arbeitstag für Dich aussieht.

Ich bearbeite die Leihgaben für den nationalen und internationalen Leihverkehr. Ich bereite die Kunstwerke für unsere eigene Ausstellung vor. Ich betreibe Sammlungspflege der Kunstwerke – die präventiven und restauratorischen Massnahmen können ganz unterschiedlich sein.

Die Werkzeuge des Künstlers André Thomkins (1930-1985)

Was ist Dein Lieblingsort an der ETH-Bibliothek?

Ich nehme oft einen Schluck Wasser beim Drei-Grazien-Brunnen – ein toller Brunnen. Im Sommer neben der Figur Silver Ghost von Luginbühl esse ich gerne Zmittag.

Zukunftsgerichtetes

Welche technologische Entwicklung wird Deinen Tätigkeitsbereich in den nächsten 20 Jahren am meisten beeinflussen?

Schwierig, die Forschung in der Konservierung und Restaurierung ist im Gange. Aber ich glaube es wird keine mindblowing Veränderungen geben. Denn die Kunstwerke bleiben erhalten und kein Digitalisat kann mithalten. Ich arbeite immer noch mit Kleister, den es sicher schon mehr als 1500 Jahre gibt (meine Schätzung). Papier bleibt hoffentlich auch noch ein paar Jahre.

Was aus dem «Jetzt» darf an der zukünftigen ETH-Bibliothek nicht fehlen?

Die Möglichkeit die Bücher und Graphiken zu erfahren – mit allen Sinnen. Visuell, physisch und olfaktorisch. Natürlich unter konservatorischer Aufsicht! Ich finde die OCR-Erkennung etwas Tolles, aber ist es nicht was ganz anderes, den Buchdrucktext ins Papier gepresst zu sehen?

Das Format «Was macht eigentlich…?»
Unsere Bibliothek hat viele Gesichter. Wir porträtieren jeweils eines davon und stellen das Aufgabengebiet dieser Person bzw. ihrer Gruppe oder ihres Teams vor. So können wir unsere Kolleginnen und Kollegen sowie deren Tätigkeiten besser kennenlernen. Habt Ihr einen Vorschlag, über wen oder welches Aufgabengebiet wir in einer der folgenden Ausgaben berichten sollen? Dann meldet Euch gerne bei Sarina Dupont per E-Mail an kik@library.ethz.ch.